Für Familien kann das gemeinsame Essen zur Herausforderung werden. Ernährungsexpertin Franziska Staub weiss, wann eine ausgewogene Mahlzeit in gemütlicher Atmosphäre am besten schmeckt.

Frau Staub, wie lernt man als Familie einen entspannten Umgang mit Essen und Ernährung?

Eine ausgewogene Ernährung ist für jede Familie erstrebenswert und machbar – aber nicht immer ein Kinderspiel. Anstatt sich also zu viel vorzunehmen, empfehle ich, eine tägliche Routine aufzubauen und den Mahlzeiten feste Zeiten zuzuteilen. Wer kann, darf gern genügend Vorbereitungszeit einplanen. Je nach Alter des Kindes kann es bei der Zubereitung mithelfen und die Salatsauce mischen, die Kartoffeln schneiden oder den Salat waschen.

Solche Routinen stärken dann auch das Gemeinschaftserlebnis.

Genau. Denn man sitzt als Familie an einem Tisch und geniesst etwas Feines, das man – im besten Fall – gemeinsam geplant, eingekauft und zubereitet hat.

Essen auf dem Sofa und vor dem Fernseher ist also tabu?

Ja. Essen ist viel mehr als nur Nahrungsaufnahme, es hat eine soziale Komponente und stärkt den Zusammenhalt in der Familie. Daher ist es wichtig, die Mahlzeiten sitzend am Esstisch und in einer Wohlfühlatmosphäre zu geniessen – also nicht im Stehen zwischen Kühlschrank und Kücheninsel. Ein sorgfältig gedeckter Tisch, hübsche Servietten und ein schön angerichteter Teller tragen zum Erlebnis bei – schliesslich isst das Auge mit.

Wie sieht es mit der Kommunikation während des Essens aus?

Die erwähnte Routine ermöglicht es, Gespräche ohne Ablenkung des Handys zu führen. Während
der eine etwas erzählt, kann sich der andere auf das Kauen und Zuhören konzentrieren. Gründliches Kauen erleichtert dem Körper, die Nährstoffe besser aufzunehmen. Und je mehr Zeit wir uns für das Essen nehmen, desto deutlicher sind auch die Sättigungssignale.

Wie kann man den Nachwuchs dabei unterstützen, sich ein gesundes Essverhalten anzueignen?

Der Esstisch soll kein Erziehungsort sein, an dem das Kind ständig belehrt wird. Viele Kids brauchen einige Versuche, bis sie eine Mahlzeit gernhaben. Daher lohnt es sich, geduldig zu sein. Ein Trick, der fast immer funktioniert, ist, aus Gemüse Suppen zu machen oder es fein geschnitten ins Hackfleisch zu mischen. Für eine Einschätzung, ob sich das Kind ausgewogen ernährt, ist die Sicht auf die ganze Woche relevanter als auf einen einzelnen Tag. Da Kinder sich an ihren Eltern orientieren, ist es wichtig, wenn Mami und Papi ihr eigenes Essverhalten reflektieren und eine gesunde Ernährung vorleben.

Soll man das Kind nach dem Essen mit einer Süssigkeit belohnen?

Ein kleines süsses Dessert darf sein, aber nicht, um den Appetit zu stillen. Sinnvoller ist es, dem Kind als Snack einen Teller mit einem lachenden Gesicht aus Beeren, Rosinen und Nüssen aufzutischen und so den Körper zusätzlich mit Vitaminen und Nährstoffen zu versorgen. Auch frisch aufgeschnittene Früchte portioniert in Schälchen machen Lust aufs Zugreifen.

Soll das Kind aufessen, was auf dem Teller ist?

Nein. Ein voller Teller entmutigt Kinder. Wichtig ist, die Menge abzuschätzen und lieber zu wenig als zu viel auf den Teller zu packen – einen Nachschlag kann man immer noch nehmen. Ich rate auch zu Zwischenmahlzeiten, da der Energieumsatz durch die Aktivität und das Wachstum des Kindes hoch ist. Phasenweise essen Kinder sehr einseitig oder nur sehr wenig – das ist ganz normal. Solange sie zufrieden und aktiv sind, gibt es keinen Anlass zur Sorge.

Text: Andrea Decker