Die Firma OZG Healthcare ist ein Komplettanbieter für medizinische Pflege & Station sowie Möbel wie Stühle und Tische. Doch was auf den Tisch kommt, das weiss Franziska Staub, BFH Ernährungsberaterin SVDE. Im Interview verrät sie Wissenswertes zur Verpflegung in Pflegeeinrichtungen und gibt hilfreiche Tipps.
Welche Rolle spielt die Care-Gastronomie im Leben der Bewohnerinnen und Berwohner von Pflegeeinrichtungen?
Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Lebensqualität ist bekannt und unbestritten. Mahlzeiten spielen für Bewohner und Bewohnerinnen in Alters- und Pflegeheimen eine wichtige Rolle. Sie geben dem Tag Struktur, bieten Abwechslung im Heimalltag und ermöglichen soziale Kontakte. Zudem ist es zentral wichtig, dass die Mahlzeiten den Energie- und Nährstoffbedarf decken und die persönlichen Bedürfnisse des einzelnen Menschen berücksichtigt werden.
Was empfehlen Sie als Ernährungsberaterin hinsichtlich des Energie- und Nährstoffgehalts?
Heute werden in der Heimküche verschiedenste kreative Massnahmen für eine ausgewogene Ernährung umgesetzt. Als Ernährungsberaterin BSc sehe ich mich mitverantwortlich, den älteren Menschen eine Kost mit ausreichend Energie, Vitaminen und Mineralstoffen anzubieten. Besonders halte ich da ein Augenmerk auf genügend Proteinbeilagen und empfehle weich gekochte Speisen.
Stichwort Konsistenz: Gibt es Lebensmittel und Speisen, die sich besser für die Verpflegung in Pflegeeinrichtungen eignen als andere?
Die Funktionen des Verdauungsapparates ändern sich im Alter. Bedenken Sie hier folgende Punkte:
• Verändertes Kau-, Geschmacks- und Geruchsempfinden
• Eingeschränkte Beweglichkeit und geringer Energieumsatz
• Nachlassen von Appetit und Durstgefühl
• Langes Sättigungsempfinden, da weniger Magensäure produziert wird
Pflegeinstitutionen wird deshalb empfohlen, die wichtigsten Kostformen zu definieren. Für mich gehören ausgewogene Vollkost, konsistenzangepasste Kostformen bei Kau- und Schluckbeschwerden, Fingerfood, angereicherte Kost bei fehlendem Appetit zu den Basic-Angeboten. Spezielle Diabeteskost ist heutzutage als Kostform nicht mehr nötig, sofern die Vollkost ausgewogen geplant ist.
Gilt es auch etwas hinsichtlich der Schöpfmenge zu beachten?
Es ist sicher sinnvoll, die Schöpfmenge klar zu definieren. Ein überfüllter Teller ist nicht unbedingt appetitförderlich.
Hingegen sind kleinere Portionen ergänzt mit «gluschtigen» Zwischenmahlzeiten nicht nur leichtbekömmlicher, sondern auch eine willkommene Abwechslung im Alltag.
Hat sich die Verpflegung in Pflegeeinrichtungen in den vergangenen Jahren verändert?
Die Ernährungsbedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner sind vielfältiger geworden. Der heutige Senior bringt häufig ein breites Wissen über die Ernährung mit und verlangt, seine persönliche Ernährungsform in der Pflegeinstitution weiterführen zu können. Aufgabe der Ernährungsberaterin ist es aber, bei reduziertem Allgemeinbefinden (z.B. durch Krankheit oder schlechten Verlauf einer Krankheit) mit Anpassungen in der Mahlzeitengestaltung die Lebensqualität möglichst zu erhalten und Einbussen in der Selbstständigkeit zu vermeiden. Das erfordert ein komplexes Gesundheitsmanagement, Geduld und Einfühlungsvermögen.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit heute bei der Verpflegung in Pflegeeinrichtungen?
Ernährung ist ein wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität im Alter und bei Erkrankungen. Wenn es das Budget zulässt, sollten möglichst regional produzierte Bio-Lebensmittel für die Herstellung der Mahlzeiten benutzt werden. Vielleicht lassen sich auch Hochbeete anlegen, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern bepflanzt und später daraus Gemüse, Salate und Kräuter geerntet werden können. Ein Gemüseauflauf aus dem eigenen Garten schmeckt einfach köstlicher. Ein Thema bildet auch Foodwaste. Hier lohnt es sich, angeleitet durch Erfahrungsberichte wirksam etwas dagegen zu unternehmen.
Hochbeete sind eine schöne Idee. Haben Sie weitere Tipps, um pflegebedürftigen Menschen die Freude am Essen zu erhalten?
Es konnte nachgewiesen werden, dass gemeinsames Essen in Pflegeinstitutionen sich positiv auf Appetit und Essmenge auswirkt. Zusammen zu essen, stärkt die Zusammengehörigkeit und gibt Sicherheit. Bei pflegebedürftigen Menschen sollte immer genügend Zeit fürs Essen eingeplant werden, oftmals geht der Umgang mit Messer und Gabel nicht mehr so leicht, wie in früheren Jahren. Auch sollten die Mahlzeiten in entspannter Atmosphäre eingenommen werden. Stehen die Bewohnerinnen und Bewohner unter Druck, wird das Essen meist zu früh beendet. Eine Herausforderung bildet das Platzieren der älteren Personen am Tisch. Wenn jemand schlürft beim Essen, kann sich das auf den Appetit des Tischnachbarn ungünstig auswirken. Es ist immer von Vorteil, Personen an einen Tisch zu setzen, die sich gut mögen.
Wie sehen Sie die Rolle der Ernährungsberatung in Pflege- und Altenpflegeeinrichtungen?
In der Praxis sowie in internationalen Studien hat sich gezeigt, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Pflege/Betreuung, Ernährungsberatung sowie Gastronomie/Hauswirtschaft zu einer Verbesserung der Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner beiträgt. Die Anwesenheit der Ernährungsberaterin SVDE hilft, die Ernährung in der Pflegeinstitution zum Thema zu machen.
Gerade in komplexen Ernährungsfragen bei Pflegebedürftigen ist eine gute interprofessionelle Zusammenarbeit und verfügbare Ernährungsberatung von grosser Bedeutung. Ein weiterer Vorteil einer Ernährungsberaterin SVDE vor Ort ist die erleichterte Umsetzung eines Ernährungskonzeptes. Wir empfehlen Pflegeeinrichtungen ein informatives Gespräch, um sich über die potentielle Qualitätsverbesserung ein Bild zu machen. Schlussendlich geht es ja darum, angestrebte Ziele wie bestmögliche Lebensqualität und Autonomie für alle Bewohnerinnen und Bewohner zu erhalten.
Interview mit Franziska Staub, BSc Ernährung & Diätetik BFH, Ernährungsberaterin SVDE